Im Frühsommer 2024 hatte ich die Gelegenheit, einen traumhaften Einhand-Törn von der südlichen Ostseeküste bis nach Süd-Norwegen und wieder zurück zu machen.
Mein Plan war ursprünglich, so schnell und so weit wie möglich nach Norden zu segeln, um dann in Ruhe Südnorwegen zu erkunden und kleineren Etappen zurück nach Deutschland zu gehen.
Die ersten 120 Seemeilen von Rügen bis nach Helsingoer kann ich bei kräftigem Ostwind (tagsüber teilweise 6 – 7 Beaufort) auch gut und schnell bewältigen. Leider herrscht dann zunächst Flaute und in den darauffolgenden Tagen kommt der Wind dann auch nur wacklig und eher aus W-NW-lichen Richtungen zurück, so dass ich im Kattegat teilweise kreuzen muss und nicht wirklich schnell voran komme. Da ich andererseits aber auch keine stundenlangen, eintönigen Passagen unter Maschine machen will, bin ich in eher kurzen Etappen gesegelt, wann immer sich ein brauchbarer Wind gezeigt hat.
Finde hier ein Video von den ersten Tagen der Reise:
Letztlich bin ich so dann erst nach 6 Tagen in Christiansand in Süd-Norwegen angekommen und musste dort zunächst erstmal noch einen Starkwindtag abwettern. Ursprünglich hatte ich davon geträumt, mindestens nach Stavanger und in den Lysefjord zu kommen. Das verbleibende Zeitbudget ließ dann aber keine weiteren großen Sprünge nach Norden mehr zu, insbesondere weil der Wetterbericht für die nächsten Tage starke nördliche Winde für die südwestliche Küste Norwegens vorhersagte. Eine unbekannte und noch dazu so herausfordernde Küste mit Gewalttripps meistern zu wollen, ist eher nicht meine Sache.
Ich habe dann beschlossen, das Beste daraus zu machen und mir Zeit zu nehmen für die Schönheiten und Besonderheiten des Reviers und auch die spätere Rückreise in entspannten Etappen anzugehen.
Christiansand ist ein netter aufgeräumter Ort, der an einer Flußmündung in einem kleinen Fjord liegt. Die Sportboothäfen inkl. der Gästemarina liegen zwischen einer kleinen Festung im Osten und einer ca. 50 m hohen Felsformation im Westen. Die Gästemarina besteht aus schwimmenden Betonpontons und man liegt hier – besonders bei Schwell aus südlichen Richtungen – eher unruhig.
Ich nutze den Starkwindtag um ein wenig umher zu wandern und mich zu verproviantieren. Auch am nächsten Tag steht noch ein kräftiger, nur langsam nachlassender Südost Wind auf den Hafen, so dass ich mich erst gegen Mittag traue, die Marina zu verlassen und zunächst Diesel zu bunkern. Kein einfaches Manöver, da ich in Lee des Tankstellenpontons anlegen will und nach Lee nur sehr wenig Raum habe, da es dort sehr schnell untief wird. Das Manöver gelingt und am frühen Nachmittag mache ich mich auf, um nur wenige Meilen weiter nach Westen zu gehen.
Mein Ziel ist Ny Hellesund, einem engen und malerischen Sund zwischen den Inseln Monsœya und Helgœya, auf halbem Weg nach Mandal gelegen, der im sehr schönen und instruktiven RCC Törnführer Norway von Judy Lomax als sehenswert empfohlen wird. Ich kann die ca. 15 Meilen bis dorthin im Schutz der vorgelagerten Inseln segeln und muss mir deshalb keine Gedanken über die sicherlich grobe und unangenehme See vor der Küste machen. Der Himmel ist grau und immer wieder prasseln Regenschauer herab. Ich segele zwischen den Inseln nur unter doppelt gerefftem Groß und komme gut voran. Vor der Einfahrt in den sehr engen Sund nehme ich das Groß runter und motore in den Sund.
Trotz des schlechten Wetters bietet sich ein malerisches Bild. Links und rechts fallen die felsigen Ufer steil ab ins Wasser und teilweise bewaldete Felskuppen und Schluchten. In kleinen Buchten und Nischen finden sich malerische Häuschen mit Stegen, Moorings, kleinen Bootsgaragen und Badeleitern. Es sind allerdings nur sehr wenige Boote und überhaupt keine Menschen zu sehen. Ende Mai hat die Saison hier offensichtlich noch nicht begonnen. Der Wind pfeift in kräftigen Böen durch den Sund und es geht ein leichter Strom. Ich erkenne einige Eisenringe zum Festmachen an den steilen Felsen aber das einhand – Anlegen ist mir unter diesen Bedingungen dann doch zu riskant und außerdem möchte ich natürlich auch ein wenig die Insel erkunden, was über die Felsen nicht möglich wäre.
Ich mache schließlich am Fähranleger fest und sehe auf dem Fahrplan, dass in 10 Minuten die abendliche Personenfähre kommen soll. Und tatsächlich kommt wenig später ein Motorboot um die Ecke gebraust und dümpelt für einige Minuten vor dem Anleger, allerdings ohne anzulegen, denn es sind weit und breit keine Fahrgäste zu sehen. Ich beschließe die Nacht hier zu verbringen und bereite nach dem Festmachen mein Abendessen zu.
Nach dem Essen klart das Wetter etwas auf und ich starte zu einem kleinen Gang über die Insel. Es gibt keine befestigten Wege und im Uferbereich liegen bunt gewürfelt schmucke Häuschen in schönen alten Gärten und an kleinen Buchten. Ich folge einem Pfad in Richtung der höchsten Erhebung der Insel, die ich erklimmen will. Die Häuser und Gärten enden schnell und werde abgelöst durch winzige Weiden und Felder. Schließlich führt der Pfad durch eine Wildnis aus Felsen, Bäumen und Büschen. Ich komme an eine enge Schlucht, die steil nach oben führt und gelange am Ende über mehrere Felsen auf den höchsten Punkt der Insel. Kurz erschrecke ich: hier oben steht tatsächlich ein Mensch und schaut in die Ferne. Der Einzige, den ich auf dieser Insel treffe. Von hier hat man einen fantastischen Blick hinab in den Sund und zu den Nachbarinseln.
Am nächsten Tag hat sich der Wind weiter beruhigt und es geht in der Früh los Richtung Mandal. Wieder kann ich im geschützten Wasser zwischen den Inseln bleiben und die ca. 18 Meilen bis Mandal weitgehend segeln.
Mandal ist die südlichste Stadt Norwegens und liegt umgeben von Wäldern an der Mündung der Marna, eines kleinen Flusses, der aus den Bergen kommt. Bis zu einer Fußgängerbrücke im Stadtzentrum ist der Fluß für ca. eine halbe Seemeile schiffbar. Auf beiden Seiten liegen kleine Werften und Marinas. Der alte Hafen ist weitgehend entkernt und mit schicken modernen Wohngebäuden bebaut. Am nördlichen Ufer liegt der Gästehafen, der um diese Jahreszeit noch sehr spärlich belegt ist. Der Fluß fließt vielleicht mit einem Knoten und führt, wie häufig in Skandinavien, jede Menge Gehölz und Späne mit sich.
Beim Anlegen bekomme ich Hilfe von einem älteren Landsmann und wir tauschen uns über unsere Routen und Pläne aus. Später treffe ich weitere Paare, die den Starkwind der vergangenen Tage hier abgewartet haben und sich nun weiter auf den Weg nach Norden machen. Von hier aus Richtung Norden nehmen die Abschnitte zu, auf denen über längere Strecken kein Schutz zu finden ist und für deren Passage man tunlichst ein passendes Wetterfenster abwarten sollte. Ich persönlich segele sehr gerne allein, trotzdem bin ich manchmal ein bißchen neidisch, wenn ich Paare sehe, die auch im Alter noch gemeinsam und tapfer die Strecken in den Norden meistern.
Ich für meinen Teil finde mich jetzt endgültig damit ab, dass ich nicht weiter nach Norden gehen werde und stelle mich darauf ein, auf dem allmählichen Rückweg nach Süden in kleineren Etappen die Südküste Norwegens und dann die Westküste Schwedens zu erkunden und zu genießen. Bis der Wind auf West dreht und ich mich auf die Rückreise machen kann, genieße ich die kleine Stadt und ihre Umgebung. Der Ort ist sehr übersichtlich und schön am Fluß gelegen. Direkt am Fluß befindet sich eine große und befahrene Strasse, aber in der 2. Reihe eine Fußgängerzone mit Läden und Cafes in wunderschönen alten Häusern. Vom Hausberg aus hat man aus ca. 120 m Höhe eine sehr schöne Übersicht über Fluß und Hafen bis zur stark zergliederten Küste und zum offenen Meer. Im Westen schließt sich ein großer parkähnlicher Wald an, der bis zum Meer reicht, wo sich der angeblich längste Strand Norwegens befindet. Man kann hier überall sehr schön spazierengehen.
Am kommenden Sonntag soll der Wind auf Südwest drehen und ich beschließe, noch eine Nacht vor Anker zu verbringen, bevor ich mich auf die Rückreise mache. Ich verhole das Schiff am Samstagmittag in eine geschützte und ruhige Bucht wenige Meilen von Mandal zwischen den Inseln. Die Einfahrt ist etwas kniffelig, aber machbar und am frühen Nachmittag fällt der Anker bei strahlendem Sonnenschein auf 4 m Wassertiefe. Zwischen die felsigen Hügel schmiegen sich einige schmucke Ferienhäuser, von denen aktuell aber nur wenige bewohnt zu sein scheinen, obwohl Wochenende ist.
Es ist so warm und sommerlich, dass ich nicht umhin kann, ins Wasser zu steigen und zu schwimmen und dann auch noch einmal rund ums Schiff die Wasserlinie abzuschrubben. Herrlich!
Am Sonntag kommt gegen Mittag zunächst ganz leicht der erhoffte Westwind auf. Ich baue das Sonnensegel ab, hole den Anker auf und mache mich auf den Weg. Als ich zwischen den Inseln etwa in der Höhe von Mandal bin, werde ich über Funk von der norwegischen Küstenwache gerufen und gefragt, ob ich ein kleines Segelboot gesehen hätte, nach dem wohl gesucht wird. Ich muss verneinen, mir ist heute tatsächlich noch kein einziges Schiff begegnet. Keine Ahnung, warum sie ausgerechnet mich angerufen haben, vielleicht haben sie mein AIS Signal genau in der Gegend gesehen, in der das vermisste Boot vermutet wird.
Ich gelange zwischen den Inseln hindurch auf die offene See und der Wind nimmt kontinuierlich zu. Raumschots bei 3-4 Beaufort und strahlendem Sonnenschein: so fällt es leichter, die Rückreise anzutreten. Den ganzen Nachmittag und Abend segele ich entspannt ca. 35 Meilen parallel zur Küste.
Ziel ist der Gamle Hellesund, wo ich übernachten will und am nächsten Tag weiter nach Arendal oder Risoer gehen will. Gegen 20:00 Uhr fädele ich mich zwischen den Inseln und einigen großen Fischzuchtfarmen ein und gelange durch einen ganz engen Kanal in den Gamle Hellesund, wo ich an einer Mooring festmache und gut geschützt die Nacht verbringe.
Am nächsten Morgen lasse ich es ruhig angehen und starte gegen 10:00 Uhr bei einem schönen Westwind. Die ersten 20 Meilen geht es ausserhalb der Inseln an der Küste entlang. Die berühmte Blindleia, den landschaftlich reizvollen inneren Schärenkurs, kann ich leider nicht nehmen, weil kurz vor Lillelsand eine Straßenbrücke mit einer lichten Höhe von 19 m das Fahrwasser kreuzt: das ist leider ein paar Zentimeter zu knapp für meinen Mast. Am späten Mittag erreiche ich das hinter einer Inselgruppe gelegene Fahrwasser Richtung Arendal. Es ist herrlich, hier mit einem frischen Westwind hinein zu segeln, der Sund und die Stadt bieten einen phantastischen Anblick.
Weiter geht es raumschots im Schutz der Insel Tromoya Richtung Osten. Gegen 20:00 Uhr mache ich – nach knapp 50 Meilen raumschots durch überwiegend geschützte Gewässer – in Risoer fest. Nach dem Essen laufe ich noch ein bisschen durch den schönen Ort und bedaure, dass ich nicht die Zeit habe hier etwas länger zu verweilen. Aber für die folgenden Tage sind ein Temperatursturz und immer wieder stürmische 7 – 8 Beaufort aus West angesagt und ich will deshalb so schnell wie möglich in die relativ geschützten Gewässer der westschwedischen Schären.
Am Dienstagmorgen breche ich deshalb früh auf: gegen Mittag soll der Wind schon bis in die 30 kn gehen und bis dahin will ich in Stavern sein, um dort den folgenden Sturm abzuwettern. Als ich gegen Mittag nur mit zweifach gerefftem Groß Stavern erreiche, knattert es tatsächlich schon mit bis zu 30 kn aus West. Der Wind ist so stark, dass der Autopilot beim Runternehmen des Großsegels kaum den Kurs gegen den Wind halten kann und ich frage ich, wie ich bei diesem Sturm unfallfrei anlegen soll. Gleich hinter der Einfahrt entdecke ich in Luv ganz am Beginn der Gästebrücke ein relativ geschütztes Plätzchen und frage mich, ob es dort tief genug ist. Glücklicherweise erscheint ein Segler und winkt mich heran und versichert, dass es ausreichend tief ist dort. Ich kann langsam gegen den Wind an der Brücke längsseits gehen und habe, wie man mir sogleich versichert, den besten und ruhigsten Gästeplatz in der ganzen Marina ergattert.
Der kleine Ort gefällt mir. Es gibt eine vorgelagerte Festungsinsel, eine stillgelegte ehemalige Marinewerft aus dem 19. Jahrhundert, die in Teilen besichtigt werden kann und ein ziemlich mächtiges Denkmal für die norwegischen Seeleute, die auf See geblieben sind. Und erstaunlich viele Cafes und Restaurants. Abends komme ich in einem Restaurant mit der Chefin ins Gespräch, die mir etwas aufgebracht erzählt, dass sie bis zum vergangenen Sommer auch die Hafenmeisterin war. Jetzt gibt es keinen Hafermeister mehr, wie in den meisten Häfen dieser Gegend, und alles ist automatisiert und die Yachties sind auf sich allein gestellt. Times are changing, hier wie überall.


Nach einem stürmischen Tag Pause geht es am Donnerstag früh weiter einmal quer über das Skagerak zur schwedischen Insel Koster. Ein Traumziel, das ich immer schon mal anlaufen wollte. Es geht flott mit raumen 5 – 6 Beaufort voran, obwohl ich überwiegend nur das 2 fach gereffte Groß und nur zeitweise die teilausgerollte Fock fahre. Wenn der Wind wie angesagt zwischendurch massiv zu nimmt, will ich nicht mit Gewalt die gesamte Fock eindrehen müssen. Die Furlex würde das zwar mit Winsch Unterstützung schaffen, aber das Segel wird unter dem Winddruck doch jedesmal arg gezwirbelt und das geht auf Dauer zu sehr aufs Material. Ca. 5 Meilen westlich von Koster steigt der Grund von 100 m und mehr bei einem sehr unregelmäßigen Meeresbodenrelief auf teilweise 10 – 12 m an. Ich erwarte hier auf eine sehr unruhige und grobe See zu treffen. Gleichzeitig zeigt sich im Südwesten eine schwere Schauerböe, die mich dann tatsächlich während der Ansteuerung von Koster mit Schauern und Böen bis zu 40 kn im flacher werdenden Wasser trifft. Ziemlich aufregend, Kattegat halt.
Ich erreiche wohlbehalten den Leeschutz von Nord-Koster und segele langsam zum Kostersundet, wo ich an einem schönen und geschützten Platz für die Nacht festmache. Den ganzen Nachmittag und Abend pfeift der Wind durch den Sund, der sich hier als Düse erweist. Die Insel ist wunderschön naturbelassen ohne Strassenverkehr mit Buchten und Stränden, Felsen und bewaldeter Heidelandschaft mit wenig und naturangepasster Bebauung. Auch hier ist Anfang Juni noch keine Saison, die wenigen Fischbuden und Restaurants sind noch zu und die meisten Ferienhäuser noch nicht belegt.

Am nächsten Morgen weht es bei zunächst strahlendem Sonnenschein mit 4 Beaufort aus WSW und ich starte gegen 09:00 Uhr mit dem Ziel, das geschützte Schärenfahrwasser Richtung Süden zu nutzen. Nur zwischen Süd-Koster und dem Eingang zum Fahrwasser und einem weiteren kurzen Abschnitt kurz vor Grebestad muss ich mit Wind und See vom offenen Skagerak her rechnen. Ansonsten ist das gewundende Fahrwasser bestens geschützt und führt durch eine traumhafte Insellandschaft. Allerdings um den Preis, dass im Windschutz der Inseln der Wind teilweise schwach und wechselhaft ist, so dass nicht selten die eiserne Genua aushelfen muss.
Idyllische Buchten und Häfen wechseln sich mit atemberaubenden Fels- und Waldformationen ab, an denen ich mich nicht sattsehen kann. Einzig die teilweise riesigen Hinterlassenschaften von Steinbrüchen aus dem 19. Jahrhundert stören hin und wieder und weisen auf ein lebhaftes vorindustrielles Treiben in dieser ansonsten überwiegend einsamen Gegend hin. Für den seinerzeit weltweit boomenden Städtebau wurden hier – unter idealen Bedingungen für den Abbau und den Schiffstransport – Basalt und Granit im industriellen Maßstab abgebaut.
Mein heutiges Ziel für heute ist der Hamburgösund, der sich allerdings eher als Enttäuschung erweist. Zwar sehr eng und landschaftlich malerisch, aber jedes kleine Fleckchen in Ufernähe ist zugebaut oder sonstwie genutzt. Überall Liegeplätze, privat oder kommerziell und um diese frühe Jahreszeit auch schon übervoll. Ich könnte noch einen Platz haben direkt neben der Pendelfähre, aber das ist mir zu eng und zu geschäftig. Ich fahre noch eine halbe Stunde weiter und mache in einer kleinen und gut geschützten Bucht zwischen den Inselchen Dannemark und Ulön an einer Mooring fest. Trotz des inzwischen stürmischen Westwindes verbringe ich hier eine ruhige Nacht.
Der Wind soll am folgenden Mittag etwas abnehmen und da nun eine zwar kurze, aber nach Westen hin eher ungeschützte Passage durch die Schären folgt, warte ich am nächsten Tag bis zum Mittag, bevor ich meine Reise fortsetze und die kritische Passage unter Maschine und mit doppelt gerefftem Groß zügig passiere. Es regnet viel und bald erreiche ich den Sote Kanalen. Das ist nun wirklich der schmalste Kanal zwischen den westschwedischen Schären, durch den ich jemals gefahren bin. Teilweise natürlichen Ursprungs, teilweise im 19. Jahrhundert von Arbeitern in die Felsen gesprengt, für die es bei nachlassender Konjunktur für den Basalt- und Granitabbau keine Beschäftigung mehr gab.
Am Ende der Durchfahrt erreiche ich Smögen, das ich von mehreren Besuchen schon kenne und deshalb fahre ich in geschützten Gewässern noch weiter bis zur Insel Malmön, wo ich den kommenden Sturm abwettern will. Ich versuche es erst in dem alten Fischerhafen an der Insel Kalven. Aber gerade als ich mich nähere, entlädt sich eine schwere Schauerböe und ich will unter diesen Umständen nicht in dem sehr engen Hafenbecken manövrieren. Deshalb drehe ich ab und lege in der großen Marina an, wo es um diese Jahreszeit reichlich Platz gibt.
Den folgenden Sturmtag verbringe ich mit einer Wanderung über die Insel, die auf ihrer Ostseite sehr schön ist, auf der Westseite allerdings sehr rauh und exponiert und teilweise durch den Gesteinabbau auch regelrecht verwüstet.




Am nächsten Morgen geht es bei West 4 – 5 Beaufort weiter nach Süden, vorbei an der traumhaft schönen Doppelinsel Kornö und dem zauberhaften Städtchen Gullholmen auf der Insel Hermanö. Beides halte ich fest als unbedingte Traumziele, falls ich nochmal in die glückliche Lage komme, diese wunderbare Gegend besuchen zu dürfen. Nach Hermanö geht es mit zweifachem Reff im Groß und Fock über offenes Wasser mit recht heftiger See nach Marstrand, das mich mit Sonnenschein und gediegenem Luxus empfängt. Ich mache eine Wanderung um die frühsommerliche Insel und genieße den letzten Tag in den schwedischen Schären.
Sehr früh am nächsten Morgen geht es mit leichten südöstlichen Wind Richtung Skagen, ein Katzensprung von etwas über 30 Meilen und wirkliches Schönwettersegeln. Gegen Mittag kreuze ich die Reede vor Skagen, die voller großer Frachter liegt und entgegen der Wettervorhersage steht der Wind durch, so dass ich Skagen an Steuerbord liegen lasse und ein Stück weiter südwestlich bis nach Strandby in der Albaek Bucht etwas nördlich von Frederikshavn segele. Ein kleiner dänischer Fischer- und Yachthafen zwischen langgezogenen Stränden. In einem einfachen, aber guten Restaurant direkt am Hafen gönne ich mir ein letztes Mal Fish&Chips.
Die 220 Meilen zurück nach Deutschland will ich diesmal nicht in einem durchgehenden Trip, sondern in 2 Etappen machen. Einfach weil die Durchquerung des Sundes in der Nacht aufgrund des Schiffsverkehrs anstrengend ist und für die nächsten Tage auch günstiger Westwind angesagt ist, so dass ich keinen Zeitdruck habe. Am nächsten Morgen geht es also etwa 120 Meilen bis nach Helsingoer, wo ich gegen 01:00 Uhr morgens für einige Stunden festmache.
Der Hafen ist brechend voll, überall liegen Yachten aus ganz Nordeuropa, die am Sjælland Rundt teilnehmen wollen. Ich lege mich quer vor die Boxen und starte um 07:00 Uhr schon wieder auf die letzten 100 Meilen bis nach Rügen. Ganz knapp vor 14:00 Uhr erreiche ich Falsterbo und komme gerade noch mit durch die Brückenöffnung. Ein traumhafter Südwest treibt mich über die Ostsee nach Rügen und gegen 23:00 Uhr mache ich in Glowe fest.
Von hier aus geht es am nächsten Tag in einem kleinen Sprung nach Sassnitz und wieder einen Tag später weiter in den Peenestrom, wobei ich vor der Prorer Wiek zum Abschluß der Reise nochmal wirklich ordentlich auf die Nase kriege: eine Schauerboe kommt mit bis zu 40 kn aus West daher, zieht aber schnell weiter und hinterlässt einen passablen Segelwind, der mich nach Hause bringt.
Insgesamt habe ich in guten 3 Wochen knapp 1.000 Meilen zurückgelegt und dabei vor allem die südnorwegischen und westschwedischen Schären erlebt. Es hat mich überrascht und erfreut, wieviel Strecke man tatsächlich in diesen durch die Schären relativ geschützten Gewässern machen kann. Allerdings ist die Einschränkung „relativ“ tatsächlich wörtlich zu nehmen: es gibt zwischen den Schären immer wieder Abschnitte, in denen bei kräftigem Wind oder Sturm eine wilde und teilweise chaotische See von außen hereinkommt und teilweise herrschen zwischen den felsigen Insel sehr kräftige Düseneffekte.
Eine genaue und sorgfältige Planung der Passagen ist ein absolutes Muss, nicht nur zur Vermeidung der vorgenannten Risiken bei Starkwind oder Sturm, sondern auch unter moderaten Bedingungen: teilweise sind die Strecken so verwinkelt und tricky, dass man in der Hektik einer Akutsituation schon mal ins Rätseln kommen kann. Nicht zuletzt gilt es sorgfältig zu prüfen, ob alle Brücken, die man passieren muss, hoch genug sind für eine problemlose Passage. Ich habe mir tatsächlich für alle Passagen am Vortag eine Route in die elektronische Seekarte gelegt, so dass ich dieser Route unterwegs einfach folgen konnte und keine kritischen Entscheidungen mehr treffen musste. Wie sich in früheren Zeiten Ortsfremde ohne elektronische Hilfsmittel in den Schärengewässern zurechtfinden konnten, ist mir allerdings ein absolutes Rätsel. Hut ab vor denen, die sich nur mit Papierseekarte und den Mitteln der terristrischen Navigation in diese Gewässer gewagt haben.
Positiv überrascht hat mich die Freundlichkeit und Offenheit der Norweger. In Norwegen bin ich fast jeden Tag von Locals aktiv angesprochen worden: teilweise einfach mit freundlicher Neugier im Hinblick auf meine Reise, teilweise auch mit proaktiver Information über lokale Besonderheiten. Die Norweger erscheinen mir offen und gleichzeitig „laid back“.
Zum Schluß noch mal die Übersichtskarte. Ich habe jetzt einiges in Skagerak und Kattegat gesehen und weiß, dass ich unbedingt noch mal wieder in dieses wunderbare Revier zurückkehren möchte.

-
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
- Calypsoskipper bei Verkaufsexpose Finngulf 39
- Kenneth Melcher bei Verkaufsexpose Finngulf 39
- alex bei Saildrive Membrane – vorschriftsmäßig ersetzen oder behalten?
- Michael Führmann bei Saildrive Membrane – vorschriftsmäßig ersetzen oder behalten?
- alex bei Erneuerung der Stromkreisverteilung
Kalender
April 2025 M D M D F S S 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Schlagwörter
12 V Verkabelung 12 V wiring Anchor windlass Ankerwinde Biscaya Bora Segel Bretagne Brittany Camaret sur mer circuit distribution Cornwall Cowes Cuxhaven Den Helder Diaphragm English Channel Falkenberg falkenbergs Båtsällskap Falmouth Gezeitensegeln havarie Hydrogenerator Lewmar Ocean Membrane MiniPlex-3USB-N2K Nordsee Norwegen Oxley Parasailor Plymouth Ramsgate Saildrive Saildrive diaphragm Saildrive Membrane SailingGen Seenotrettung Segeln in Tidengewässern Sjöräddnings Sällskapet Skagen Skagerak Stromkreisverteilung tidal navigation tidal water routing Tidennavigation ÄrmelkanalArchiv
Kategorien